Gleich zwei Tannenbäume, liebevoll geschmückt mit bunten Kugeln, warten jeden Tag auf die strahlenden Augen der Kinder, die vom Kindergarten, der Schule oder einem Ausflug nach Hause kommen. Einer steht vor dem Kinderhaus Sternstunden der Geschwister-Gummi-Stiftung, der andere im gemütlichen Wohnzimmer. Schon vor Tagen haben ihn die Mädchen und Jungen mit selbstgebasteltem Schmuck und Christbaumanhängern zu einem funkelnden Highlight gemacht. Beide Bäume versprechen eine geheimnisvolle und heimelige Zeit für die Kinder. Wird sie sich erfüllen? Viele der Kinder haben in ihrer Vergangenheit traumatische Erfahrungen gemacht, waren von Vernachlässigung und Gewalt betroffen. Manche der Kinder kennen einen Christbaum oder die Weihnachtsgeschichte nur aus Büchern oder von Erzählungen. Die pädagogischen Fachkräfte haben gerade deshalb das Ziel: den Kindern ein tolles, besinnliches und freudiges Fest zu „schenken“.
Dafür haben sie schon in der Adventszeit mit den Kindern fleißig Plätzchen gebacken und Spaziergänge durch das beleuchtete Kulmbach unternommen. Im Kinderhaus Sternstunden, in dem derzeit 14 Mädchen und Jungen mit schweren traumatischen Erfahrungen leben, warteten anschließend heißer Kakao, Spiele, Bücher und Filme auf die Heimkehrer. Gerne haben sie auch mit den Spielzeugen aus ihren eigenen Adventskalendern gespielt: „Denn das gehört auch zur Weihnachtszeit dazu. Wir haben die Türchen mit den Kindern immer am Nachmittag geöffnet, dass auch noch genügend Zeit war, Lego, Bausätze und vieles mehr zusammenzubauen und ausgiebig zu testen“, verrät Mitarbeiterin Sandra Walter.
So sind gerade auch die Wochen vor dem Fest wertvoll, um „ein Stück Kindheit“ mit vielen Aktivitäten und Traditionen zu erleben.
Am 24. Dezember besuchen die Kinder gemeinsam eine Kindermette in Kulmbach. In den vergangenen Jahren hat währenddessen oft das Christkind heimlich die Geschenke unter den Baum gelegt. Vielleicht wird es ja diesmal genauso sein. Bei der lang ersehnten Bescherung liegt dann ein großes Staunen in der Luft: „Das Christkind hat an mich gedacht! Es hat meinen Wunsch erfüllt.“ Durch die Wunschzettel- und Wunschbauaktion, an der viele Menschen teilgenommen haben, werden auch an diesem Weihnachtsabend wieder Kinderaugen leuchten. Ein herzliches Dankeschön hierfür an die großzügigen Spender.
Die Bescherung ist auch für das Team immer ein bewegender Moment. Die Kinder packen ihre Geschenke aus, zeigen sie den anderen und probieren sie gleich aus. Gemeinsam werden sie später am Abend ein Festessen genießen und bekannte Lieder singen. Auch in diesem Jahr werden sie wieder so lange aufbleiben bis ihnen die Augen zufallen.
Doch nicht nur Vorfreude herrscht in dieser Zeit vor Weihnachten. Vielen Kindern und Jugendlichen wird auch, noch mehr als zu anderer Zeit, bewusst, dass Weihnachten ein Fest der Liebe und der Familie sein sollte und ihre Lebenswelt gerade aber ganz anders aussieht. Sie leben in einer Wohngruppe mit anderen Kindern und Fachpersonal - und nicht bei ihren Familien und Verwandten. Einige können Heilig Abend in ihrer Herkunftsfamilie verbringen oder bekommen an den Feiertagen Besuch, die meisten jedoch nicht. Heimweh, Sehnsucht nach einer heilen Familie und Geborgenheit sind ein großes Thema der Kinder und Jugendlichen. Das pädagogische Fachpersonal ist für die Kinder da. Die Frauen und Männer hören ihnen zu, nehmen ihre Gefühle ernst und begleiten sie. „In diesen Tagen ist oft auch etwas Exklusivzeit mit jemandem aus dem Team für die Kinder wertvoll“, erzählt Sandra Walter. „Egal, ob man einen Spaziergang macht, ein Buch liest oder ein Spiel spielt. Ich bin gerade nur für dich da. Du bist wichtig. Solche Botschaften stärken die Kinder.“
In den Wohngruppen der Geschwister-Gummi-Stiftung leben derzeit rund 70 Kinder und Jugendliche. Sie haben von ihren Eltern nicht die Unterstützung erhalten, die für eine gesunde Entwicklung notwendig ist. Hier werden sie dabei begleitet, das Erlebte zu verarbeiten, zur Ruhe zu kommen und zu sich selbst zu finden. Das Kinderhaus Sternstunden bietet besondere Bedingungen für Kinder, die schwerste traumatische Erlebnisse wie Vernachlässigung, körperliche oder sexuelle Gewalt und starke emotionale Deprivation durchleben mussten.
